
Halbjahresrückblick: Aktuelle Lage auf dem Infrastrukturmarkt
19 / 07 / 23 - 3 minute read
Lieferkettenstörungen, eine äußerst akkommodierende Geldpolitik und der Ausbruch des Ukrainekriegs: Vor diesem Hintergrund begann 2022 eine Inflation, die vergangene Jahrzehnte in den Schatten stellt. Seit gut 18 Monaten versuchen Zentralbanken nun, ihr durch eine aggressive Erhöhung der Zinssätze beizukommen.
Da die angespannte Finanzlage das Wirtschaftswachstum bremst, wird die Gesamtinflation mittelfristig voraussichtlich auf ein moderates Niveau sinken. Die Werte zur Kerninflation, die die schwankungsreichen Preise für Energie und Lebensmittel ausklammer
Infrastructure Equity und Infrastructure Debt: Stockende Kapitalbeschaffung im ersten Halbjahr 2023
Auf das Rekordjahr 2022 folgte in der ersten Hälfte 2023 der jähe Absturz. Für die Kapitalbeschaffung bei Infrastruktur erwiesen sich die ersten drei Monate des Jahres mit gerade einmal 8 Milliarden USD als schlechtestes Quartal seit 2009. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2022 konnten 23 Milliarden USD eingeworben werden. Ein Grund für die schleppende Kapitalbeschaffung sind rückläufige Exits und die dadurch verzögerten Rückzahlungen an Investoren. Angesichts der Unsicherheit bezüglich dieser Ausschüttungen scheuen Anleger oft vor neuen Investitionen zurück. Ähnliches ließ sich bei Infrastructure Debt beobachten: Auch hier erlitt die Kapitalbeschaffung im Jahr 2023 einen herben Rückschlag. Zudem wurden Fonds mit Closing im laufenden Jahr mehr oder minder eingefroren.
Dieser Abwärtstrend zeigt sich jedoch nicht nur bei Infrastruktur: Auch Private Real Estate erlebte 2023 das schlechteste erste Quartal seit 2009, Private Debt verzeichnet die schlechteste Performance seit sechs Jahren, und die Kapitalbeschaffung für Private Equity ging – gegenüber dem Vorjahr – um 20 % zurück.
Unlisted Infrastructure – Aufgenommenes Kapital und Anzahl der geschlossenen Fonds, 2014–2023
Quelle: PATRIZIA, Preqin Pro
Deutlich weniger Deals als im Vorjahr
Nach einem Jahrzehnt im Steigflug werden Anzahl und kumulierter Wert der Deals 2023 voraussichtlich erheblich abnehmen und auf das Niveau von 2018 fallen. Erneuerbare Energien bleiben das transaktionsstärkste Segment und können knapp die Hälfte aller 2023 bislang getätigten Infrastruktur-Deals für sich beanspruchen. In diesem Bereich sind Greenfield-Deals für Anleger attraktiver – nicht nur wegen der höheren Rendite für die höhere Risikoprämie, sondern auch, weil Greenfield-Assets dem Thema Klimawandel bewusst Rechnung tragen und die Energiesicherheit stärken können.
Mit 50 % aller bislang im Jahr 2023 abgeschlossenen Deals behauptet sich Europa weiterhin an der Spitze und verdeutlicht die Dynamik hinter seinen Bemühungen um eine sichere Energieversorgung. Auf Nordamerika entfallen 25 % der restlichen Transaktionen.
Infrastructure-Equity-Deals nach Volumen und Wert (2013–2023)
Hinweis: Die Zahl der bisherigen Deals im Jahr 2023 wurde aus der durchschnittlichen Anzahl der Deals in den letzten drei Jahren bis Mai extrapoliert; die Zahlen für die restlichen Jahre beziehen sich auf das Gesamtjahr.
Quelle: PATRIZIA, Preqin Pro
Weiterhin hohes Dry Powder trotz Abwärtstrend seit Ende 2022
Following record levels of fundraising in 2021 and 2022, a record level of dry powder was accumulated by infrastructure fund managers at end-2022, especially those with a large cap and North American focus. Dry powder was at record levels at the end of 2022, but with the decline in fundraising to start 2023, dry powder stocks have reduced by US$17 billion to just over US$300 billion to start the year. However, dry powder remains elevated as funds that have previously raised capital search for opportunities to deploy.
Unlisted Infrastructure Dry Powder by Strategy, 2014 - 2023
Quelle: PATRIZIA, Preqin Pro
Steigende Zinssätze: Neuralgischer Punkt in herausforderndem Investitionsumfeld in Q3/Q4 2023
Da die Weltwirtschaft mit enormer Unsicherheit konfrontiert ist, müssen Anleger Lösungsstrategien für verschiedene Herausforderungen entwickeln. Zu den größten Hürden für Infrastrukturinvestoren zählten in den vergangenen Jahren vor allem Objektbewertungen, die Konkurrenz um Assets und geopolitische Aspekte. Während diese Faktoren weiterhin zu berücksichtigen sind, stehen nun die steigenden Zinssätze im Vordergrund. Sie können – wie auch in anderen Anlageklassen – Einfluss auf Objektbewertungen und Refinanzierungskosten haben und die Wirtschaftstätigkeit drosseln.
Die steigenden Zinssätze drücken in allen Real-Asset-Klassen die Stimmung. Institutionelle Anleger gehen jedoch davon aus, dass Infrastruktur kurz- bis mittelfristig besser abschneidet als Immobilien und Private Equity. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Infrastruktur einen besseren Inflationsschutz bietet und weniger Verflechtungen mit dem BIP aufweist als andere Real Assets.
Mit Blick auf die voraussichtlichen Kapitalzusagen institutioneller Anleger ist davon auszugehen, dass die Zusagen für Infrastruktur verglichen mit den letzten zwölf Monaten in den nächsten zwölf Monaten zunehmen werden. Anleger setzen vorrangig auf Re-Ups innerhalb bestehender Beziehungen. Sie entscheiden sich also eher für Anschluss-Fonds mit bekannten Managern, als neue Manager zu beauftragen.
Voraussichtliche Kapitalzusagen durch Investoren – nächste 12 Monate ggü. letzte 12 Monate
Quelle: PATRIZIA, Preqin Pro
Angesichts der eher verhaltenen Stimmung unter institutionellen Anlegern bietet sich jedoch eine interessante Option für Manager von Infrastrukturfonds: Family Offices. Sie sehen für 2023 größere Investitionen im Bereich Infrastruktur als in anderen Real Assets vor. Als Hauptgründe hierfür werden der Inflationsschutz sowie Diversifizierungsvorteile genannt.[1]
[1] BlackRock Global Family Office Survey, Januar 2023