
Nachhaltiges Bauen mit Holz – Ist Cross-Laminated-Timber der Beginn eines goldenen Zeitalters?
11 / 01 / 23 - 8 minute read
Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an Holzkonstruktionen denken? Eine heiße Außensauna an einem frostigen Winterabend in Finnland oder Island? Ein im Hygge-Stil eingerichtetes Häuschen in Dänemark oder ein Chalet in den Schweizer Alpen? Oder eine kleine, bescheidene Camping-Hütte in Großbritannien, umgeben von einer beeindruckenden Landschaft?
Nur wenige werden an eine Villa in den Niederlanden, eine Verkehrsbrücke in Kanada oder ein Hochhaus in Norwegen denken. Doch die steigende Beliebtheit von Cross-Laminated-Timber, zu Deutsch Brettsperrholz, kurz CLT, als Baustoff eröffnet gänzlich neue
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte des Brettsperrholzes
Brettsperrholz wurde in den 1990-er Jahren in Österreich entwickelt und vor allem durch den renommierten Forscher Gerhard Schickhofer bekannt. Jetzt ist der Baustoff auf dem Vormarsch: Der internationale CLT-Markt war 2021 schätzungsweise 944,9 Millionen $ wert. Aktuellen Prognosen zufolge soll er dieses Jahr 1,33 Milliarde $ und 2030 bereits 3,56 Milliarden $ im Jahr erreichen.
Während Brettsperrholz in Europa und Kanada bereits recht beliebt ist, zeigen die USA mit ihrer Vorliebe für den billigeren und weit verbreiteten Holzrahmenbau weniger Interesse. Doch Modifizierungen in der Gesetzgebung einiger Staaten zugunsten von CLT könnten das nun ändern und möglicherweise dessen goldenes Zeitalter einläuten.
Aber fangen wir von vorne an: Was ist Brettsperrholz? Brettsperrholz – oder CLT – besteht aus geschnittenen, kammergetrockneten Brettern, die über Kreuz verleimt werden. Da seine Eigenschaften gut mit denen von Beton und Stahl mithalten können, diese teilweise sogar in den Schatten stellen, wird CLT auch Beton der Zukunft genannt. Verglichen mit traditionellen Baumaterialien hat CLT zahlreiche Vorteile: Es verkürzt die Bauzeit um durchschnittlich sechs Monate, ist dank Vorfertigung billiger in der Herstellung, zudem leichter und langlebiger als Beton und bietet eine bessere Wärmedämmung. Auch bei CO2-Ausstoß und Energieverbrauch schneidet CLT besser ab als traditionelle Baustoffe: So bindet 1 m3 Fichtenholz 622 kg CO2 – während 1 m3 Beton rund 300 kg CO2 ausstößt. Brettsperrholz ist also nachhaltiger und damit besonders interessant für die Baubranche.
Lösung für die Dekarbonisierung
Für die Dekarbonisierung, die angetrieben durch soziale und politische Faktoren weltweit weiter enorm an Fahrt aufnimmt, bietet Brettsperrholz mehr Möglichkeiten als die meisten anderen Baumaterialien. Obwohl sein Siegeszug gerade erst begonnen hat, präsentiert sich CLT bereits in den ersten anspruchsvollen Projekten. Dazu gehören das mit 85,4 Metern weltweit höchste Holzgebäude – Mjøstårnet – im norwegischen Brumunddal, die preisgekrönte, 160 Meter lange Mistissini-Brücke in Kanada sowie zahlreiche Schulen, Wohngebäude und Büros auf der ganzen Welt.
Hier kommen auch die eingangs erwähnten Villen in den Niederlanden ins Spiel. Dabei handelt es sich um Hof van Duurzaamheid – auf Deutsch etwa: Nachhaltigkeitshöfe –, PATRIZIAs allererstes CLT-Projekt. Es wurde im Oktober 2022 fertiggestellt und ist mittlerweile vollständig vermietet. Das Projekt umfasst 40 Einfamilienhäuser sowie 7 Stadtvillen, die mit CLT gebaut wurden, und ist das erste Wohnprojekt in den Niederlanden, bei dem dieser Werkstoff zum Einsatz kam.
Bedeutender Meilenstein
„Für mich ist dieses Projekt ein zentraler Meilenstein in PATRIZIAs Net Zero Carbon Strategie“, sagt Guido Maarsman, Projektleiter und Asset Manager bei PATRIZIA. „Mir macht es viel Freude, neue Wege für die CO2-Neutralität zu finden.“
Neben den 47 CLT-Gebäuden umfasst der Wohnkomplex 63 Apartments, die mit herkömmlicheren Materialien gebaut wurden. So erhält PATRIZIA Vergleichsdaten für den potenziellen Einsatz von Brettsperrholz in künftigen Projekten. Da dieses Bauverfahren noch relativ jung ist, wird die Entwicklung einige wichtige Fragen zu Finanzen, Betrieb und Mietererfahrung beantworten: Liegen Baukosten und Mietwert über oder unter denen von Gebäuden, die auf übliche Art und Weise gebaut wurden? Ist die Instandhaltung von CLT-Gebäuden kostspieliger? Steigern CLT-Gebäude die Mieterzufriedenheit?
Bei den Betriebs- und Investitionsausgaben (Opex bzw. Capex) lagen CLT-Projekte anfangs unter den Werten vergleichbarer Gebäude. Da sich dies jedoch möglicherweise in Zukunft ändert, überwacht und vergleicht PATRIZIA auf Tagesbasis die CLT-Performance mit anderen Wohntypen.

Guido Maarsman

Emile Poort
Eigene App für zufriedene Mieter
Für eine höhere Mieterzufriedenheit wurde eine Community-App entwickelt, über die sich Mieter mit Fragen oder Anliegen an Vermieter und/oder Immobilienverwalter wenden können. Zudem lässt sich über die App der Wasser- und Stromverbrauch einsehen.
Die Akzeptanz durch die Mieter ist entscheidend für die Zukunft von Brettsperrholz in Wohngebäuden. Da derzeit noch wenige Daten zur Mieterzufriedenheit vorliegen, sind wegweisende Projekte wie Hof van Duurzaamheid essenziell, um Rückmeldungen einzuholen und die potenzielle Nachfrage nach Holzgebäuden sowie die Vor- und Nachteile für Mieter zu untersuchen.
„Der soziale Aspekt dieses Projekts ist sehr interessant“, findet Emile Poort, PATRIZIA Country Head für die Niederlande. „Die Idee mit der App gefällt mir gut. Dadurch ist den Mieterinnen und Mietern klar geworden, dass dieses Entwicklungsprojekt wirklich etwas Besonderes ist.“
Das Mieter-Feedback zu CLT ist essenziell und liefert wichtige Einblicke, wie die Lebensqualität in Mietwohnungen erhalten bleiben kann. Ein paar Verhaltensweisen müssen dabei unbedingt eingehalten werden: Mieter dürfen beispielsweise keine Wände streichen, Löcher bohren oder in Innenräumen rauchen. Eine gewisse Toleranz gegen den Holzgeruch ist eine weitere, wenn auch kleinere Einzugsbedingung. Doch lohnt sich die Einhaltung dieser Regeln im Tausch gegen ein nachhaltiges Wohnumfeld?
Daran hat Poort keinen Zweifel: „Einer der Hauptvorteile für Mieter ist die Kombination aus niedrigem Stromverbrauch und einer wirklich angenehmen Wohnatmosphäre. Zufriedene Mieterinnen und Mieter sind enorm wichtig. Und in diesem Punkt sind wir absolut zuversichtlich.“
Glücklicher Zufall
Wie ist PATRIZIA überhaupt in Kontakt mit dem CLT-Projekt gekommen? Was zunächst als ein reines Investitionsvorhaben gedacht war, überzeugte am Ende mit einem besonderen Bonus: „Wir waren auf der Suche nach vielversprechenden Möglichkeiten für Wohnprojekte in den Benelux-Ländern – und das war eine davon“, erklärt Poort. „Wir wussten anfangs nicht, dass ein großer Teil des Komplexes mit Brettsperrholz gebaut wurde. Rückblickend hatten wir enormes Glück, dass uns diese Chance quasi in den Schoß gefallen ist.“
Die allgemeinen Rahmenbedingungen hatten bereits früh das Interesse von PATRIZIA geweckt. Das Grundstück war eines der letzten freien Assets in einem überaus belebten Teil der geschichtsträchtigen Stadt Amersfoot, die gut 30 Minuten von Amsterdam und nicht weit von Utrecht entfernt ist. Der Wohnungsmarkt der Stadt ist wie so viele angespannt – und Prognosen zufolge soll die Bevölkerung von 158.000 im Jahr 2021 auf 200.000 im Jahr 2050 anwachsen.
Wie bei allen ersten Erfahrungen bot auch dieses Projekt PATRIZIA und seinen Partnern die Chance, Neues zu lernen. „Wir haben angefangen, uns mehr mit Brettsperrholz zu beschäftigen“, erklärt Poort. „Was ist das überhaupt? Wo liegen seine Vor- und Nachteile? Unsere Lernkurve mit CLT war sehr steil. Was ist gleich, was ist anders im Vergleich zu herkömmlichen Baustoffen? Was folgt daraus? Wie gut wird das Holz die kommenden Jahre überstehen? Wie gehen die Mieterinnen und Mieter mit einem lebenden Material um? Mit diesen Aspekten hatten wir noch keine Erfahrung.“
Trotz der verbundenen Risiken ließen sich die Investoren nicht von dem anspruchsvollen Erstlingsprojekt abschrecken. Sie gaben die nötige Rückendeckung, damit das Team die zahlreichen Vorteile von CLT ausschöpfen und das Projekt zum Erfolg führen konnte. „Das Risiko liegt ganz bei uns“, bestätigt Poort. „In meinen Gesprächen mit der Baufirma und dem Entwickler stellte sich nach Projektabschluss heraus, dass es für uns alle eine Feuertaufe war. Investoren, Makler und die Medien waren sehr an dem Projekt interessiert, und wir sind stolz, dass wir es waren, die es umgesetzt haben und nun verwalten.“
Schneller zu mehr Wohnungen
Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. „Das CLT hat uns in der Bauphase keine größeren Probleme bereitet“, berichtet Maarsman. „Wir haben mit diesem Baustoff herausragende Erfahrungen gemacht. Da er vorgefertigt ist, geht das Bauen wirklich schnell. Brettsperrholz sorgt für eine saubere Baustelle und weniger Arbeitsaufwand für die Bautrupps, da alles in einem Lagergebäude vorbereitet und dann zur Baustelle gefahren wird. Auch viele ESG-Vorschriften werden automatisch eingehalten“.
Poort sieht in der dank CLT verkürzten Bauzeit einen großen Vorteil. Für ihn hat diese Holzbauweise enormes Potenzial im Kampf gegen die Wohnungskrise: „Brettsperrholz reduziert die Bauzeit um 30 % – das ist viel“, bestätigt er. „Statt den üblichen zwei bis drei Jahren hat der Bau nur 18 Monate gedauert. Für die Projektfinanzierung ist das ein großer Vorteil, da die Anleger so schneller Rendite erhalten. Denn diese fällt natürlich umso niedriger aus, je länger die Bauzeit ist. In den Niederlanden und im restlichen Europa herrscht enorme Wohnungsnot. Die Niederlande zählen rund 18 Millionen Menschen und brauchen 400.000 zusätzliche Wohnungen. Diese Zahl wird künftig auf 900.000 steigen.“
Weiter erklärt er: „CLT verkürzt Bauprojekte deutlich und unterstützt die Einhaltung von ESG-Vorschriften für mehr Nachhaltigkeit. Davon profitieren alle. Viele Entwickler und Bauunternehmen befassen sich intensiver mit diesem Baustoff. Wenn sich damit gut arbeiten lässt, wird CLT künftig deutlich öfter Einsatz finden. Es wird uns dabei helfen, der hohen Wohnungsnachfrage in den Niederlanden besser nachzukommen.“
Auch die Vorteile für die Dekarbonisierung zeigen sich in Hof van Duurzaamheid. Durch Nutzung von Brettsperrholz konnten verglichen mit herkömmlichen Materialien knapp 1,68 Millionen Kilogramm CO2-Emissionen eingespart werden.
Nachhaltige Forstwirtschaft und CLT
Das Holz für Hof van Duurzaamheid stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. „Das Holz kommt aus einem speziell angelegten Wald, in dem die Bäume in einem 10-Jahres-Zyklus angepflanzt und gefällt werden“, erklärt Maarsman. „Bestandswälder werden somit geschont. Da der Verkäufer auch Besitzer des Walds ist, kann er den CO2-Ausstoß messen.“
Dieser Ansatz entkräftet das Hauptargument gegen Brettsperrholz, es sei angeblich schädlich für den Wald. Wäre dies der Fall, könnte es einen großen Einfluss auf die Beliebtheit von CLT haben, selbst wenn dieses umweltfreundlicher ist als Beton oder Stahl. Andere Bedenken zum Einsatz von Brettsperrholz lauten, dass sich Holz unter bestimmten Wetterbedingungen verfärbt und um einige Zentimeter ausdehnt oder auch schrumpft. Wird dieser Vorgang jedoch in der Entwurfsphase berücksichtigt, ist das Verhalten unproblematisch.
Zusammen mit nachhaltiger Forstwirtschaft könnten CLT-Gebäude in Zukunft von der Ausnahme zur Regel werden und deutlich häufiger zu finden sein.
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