Logistikbranche boomt dank florierenden Internet-Geschäfts
Nach Automobilwirtschaft und Handel zählt die Logistik in Deutschland zum drittgrößten Wirtschaftsbereich. Im Jahr 2017 (neue Zahlen liegen noch nicht vor) hat sie mit gut drei Millionen Beschäftigten branchenübergreifend rund 267 Milliarden Euro erlöst – fast ein Viertel des europaweiten Gesamtumsatzes in diesem Sektor. Nach einer Prognose der Bundesvereinigung Logistik könnten sich die Erlöse der etwa 60.000 ganz überwiegend mittelständisch geprägten Firmen in diesem Jahr auf 280 Milliarden Euro summieren.
Maßgeblich hierfür ist vor allem das anhaltende Wachstum im Internet-Handel. In 2018 beliefen sich die Umsätze aus dem E-Commerce bundesweit auf gut 53 Milliarden Euro. Europaweit waren es über 317 Milliarden Euro, weltweit unglaubliche 1,6 Billionen Euro. Binnen fünf Jahren wird mit einem Plus von weiteren mindestens 50 Prozent gerechnet. Parallel haben verändertes Konsumverhalten und steigendes Versandaufkommen 2018 den Umsatz der „KEP“-Branche (Kurier, Express, Paket) in allein in Deutschland auf 20,4 Milliarden Euro (+5,2 % im Vergleich zum Vorjahr) angehoben.
Rasante Entwicklung des Sektors Fluch und Segen zugleich
Doch das ungehemmte Wachstum des gesamten Logistiksektors gerade in Deutschland, mit seiner zentralen Lage innerhalb Europas, einer hervorragenden Infrastruktur und dem Einsatz moderner Technologie, führt alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette an ihre Grenzen. Dies betrifft die Handelsunternehmen ebenso wie die Transportdienstleister, vor allem jedoch die Städte, in denen der abstrakte (und eher neutrale) Begriff Logistik auf der „Letzten Meile“ sein hässliches Gesicht zeigt. „Green Logistics“ ist in diesem Kontext das Schlagwort – und Aufforderung an die Branche, Treibhausgase und Verkehr zu reduzieren.
Hierfür ist es unumgänglich, das Thema Logistik durch firmen- und branchenübergreifende Kooperationen sowie moderne und zugleich flexible Objekte neu zu denken.
"Nicht alle Logistikstandorte stoßen auf das gleiche Investoreninteresse: Manchmal zweifeln die Anleger an der Reife und den Aussichten des Marktes . In den meisten Fällen geht es jedoch um die politische oder geopolitische Situation."
Rob Brook, Managing Director und Head of Logistics bei PATRIZIA
Auswahl und Planung von Standorten auf der einen sowie Flächenaufbau und -nutzung auf der anderen Seite werden zu zentralen Parametern. Insbesondere in den Ballungsräumen wächst der urbane Flächenbedarf, dem aber ein zunehmend begrenztes Flächenangebot gegenübersteht. Immobilienentwickler und -investoren testen daher intensiv alternative Konzepte.
Wie Nicolai Soltau, Fondsmanager der paneuropäischen PATRIZIA-Fonds Logistik-Invest Europa I & II bestätigt, hat der Handel erste Versuche gestartet, Logistik und Einkaufsmeile zu verbinden. Als Beispiel nennt Soltau die Otto-Tochter Bonprix: Das Unternehmen stellt auf einer kleinen Verkaufsfläche in Hamburg jeden Artikel nur einmal aus. Per Smartphone wählen Kunden etwa ein Kleidungsstück aus, der Artikel steht dann in der Umkleidekabine passend für sie bereit. Alternativ können sie online bestellen und die Ware vor Ort abholen. Das Modell könnte Schule machen.
Anleger sollten auf Diversifizierung und Nachhaltigkeit achten
„Die gewählte Struktur ist sehr effizient und muss sich nun behaupten“, analysiert Soltau. Mehr Breitenwirkung als solche individuellen Lösungen versprechen aus seiner Sicht aber Umwidmung und Umnutzung bestehender Gebäude. Soltau: „Die Herausforderung liegt hier darin, ein langfristig tragfähiges und nachhaltiges Konzept für den jeweiligen Standort zu finden.“ Den von ihm verwalteten Fonds gelingt das offenbar überdurchschnittlich gut. Für Soltau ist eine ausgewogene Streuung der Investments die Basis für den Erfolg.
Derzeit verwaltet die PATRIZIA europaweit ein Logistikimmobilien-Portfolio im Wert von rund 2,5 Milliarden Euro. „Wir diversifizieren durch die Nutzungsarten der Assets und versuchen, alle Bereiche der Logistik abzudecken“, erklärt Soltau. Dabei seien herkömmliche Distributionszentren oder auch E-Commerce-Logistikflächen „für uns sehr wichtig“. Seine PATRIZIA Logistics Funds fokussieren nicht zuletzt die Nachhaltigkeit der Lage. Hervorragende Entwicklungschancen versprächen neben den europäischen Metropolregionen zudem Logistikdrehscheiben und Verdichtungsstandorte, aber auch Häfen und Flughäfen in etablierten Märkten.
So hat PATRIZIA jüngst ein Portfolio mit Logistikimmobilien in den Niederlanden erworben, in Rotterdam, Moerdijk und Bergen Op Zoom. Alle drei Standorte liegen in dem gefragten Logistikkorridor, der vom Rotterdamer Hafen durch den Süden der Niederlande führt. Ein großer Teil des hochmodernen Portfolios eignet sich für den Umschlag von Gefahrgut (ADR), einem aufgrund verschärfter Gesetze und Vorschriften schnell wachsenden Marktsegment.
In Deutschland hat PATRIZIA nahezu zeitgleich ein Portfolio von sechs Logistikimmobilien gekauft. Es handelt sich um so genannte Cross-Dock-Logistikanlagen - eine besondere Art von Anlage, die es ermöglicht, die Zeit für Wareneingang, Verarbeitung und Versand an den Verbraucher so zu verkürzen, dass der Lagerbedarf minimiert wird.
Investoren präferieren hochwertige Logistikflächen in guter Lage
Aufgrund des boomenden E-Commerce und der wachsenden Nachfrage der Verbraucher nach Übernacht- oder Tageslieferungen haben solche Objekte einen historisch niedrigen Leerstand. Fondsmanager Soltau ist überzeugt, dass sich dieser Trend fortsetzt und die Nachfrage nach hochwertigen, gut gelegenen Logistikflächen hoch bleibt.“ Akquisitionen wie die vorgenannten verschafften „unseren Kunden Zugang zu einem diversifizierten Portfolio, das langfristige Erträge mit Potenzial für Mietwachstum generiert“, so Soltau.
Prinzipiell sei es auch im Logistiksektor „unser Anspruch, mit der Immobilie langfristig ein möglichst breites Feld von Mietinteressenten anzusprechen, sagt Rob Brooks, Managing Director und Head of Logistics bei der PATRIZIA. Das Investitionsspektrum müsse hierbei sehr breit gefasst sein, so Brooks: „Um nicht nur KEP-Standorte, sondern auch Standorte in XXL-Formaten abzudecken, bedarf es Investitionen in einer Größenordnung von fünf bis auch über 80 Millionen Euro.“ Eine Nische sei der Sektor längst nicht mehr.
Einer Befragung von 885 europäischen Immobilienexperten zufolge sind sieben von zehn Teilnehmer der Auffassung, dass die traditionelle Immobilienwirtschaft auf Sachgüter und dazu gehörige Dienstleistungsunternehmen ausgeweitet werden muss, wenn man künftig die Zielrenditen erwirtschaften will. Vor diesem Hintergrund richten Investoren ihren Blick auf Logistikimmobilien. Sie rangieren, bezogen auf taxierte Entwicklung von Performance und Investitionsvolumina, laut zitierter Umfrage unter den Top 3 der Anlageklassen.
Sektor trotz Bauboom mit immer noch fallenden Leerstandsraten
Seit 2014 seien die Transaktionsvolumina im Logistiksektor in Deutschland von rund 3,3 Milliarden Euro auf 6,8 Milliarden Euro gestiegen, rechnet Fondsmanager Soltau vor. „In der Betrachtung der Logistikdrehscheiben innerhalb Europas ist das Bild recht ähnlich“, ergänzt Kollege Brooks. Allerdings stießen nicht alle Standorte auf dasselbe Interesse der Investoren. Manchmal fehle das Vertrauen in Marktreife und -perspektiven, häufiger aber in die (geo)politische Situation vor Ort oder in der Region, begründet Brooks.
Zwar liegen die durchschnittlichen Renditen bei Logistikimmobilien heute europaweit um ein Drittel unter Werten von vor fünf Jahren, als im Schnitt 6 Prozent erzielt wurden. Doch schon bei der Betrachtung solcher Renditeaussichten sehe man „sehr deutlich, dass die Entfernung dieser Anlageklasse vom Nischenmarkt bereits sehr weit fortgeschritten ist“, betont Soltau. Trotz des anhaltenden Baubooms fielen die Leerstandsraten im Segment immer noch weiter, was Logistikimmobilien auch langfristig zum guten Investment mache.
Das knappe Angebot bei wachsendem Bedarf zwingt Entwickler und Investoren in diesem Zusammenhang aber auch zu Sanierung und Umbau von überalterten Bestandsobjekten, pro Automatisierungslösungen zur Verdichtung von Objekten in die Höhe sowie dazu, B- und C-Lagen als Standorte zu nutzen.
Ein weiterer Trend ist die Nutzenmaximierung des vertikalen Raums, so Soltau. Derzeit haben die Anlagen in der Regel eine Deckenhöhe von 10 bis 12 Metern. Um die Automatisierungsmöglichkeiten noch mehr nutzen zu können, sind jedoch neue Konstruktionen mit einer Höhe von 14 bis 16 Metern geplant.
„Auch wenn der Erstmieter nur eine Deckenhöhe von sechs Metern benötigt, werden die Neubauten oftmals mit einer Höhe von 10 bis 12 Metern gebaut, um potentielle zukünftige Nutzungszwecke mit größerem Höhenbedarf zu erfüllen“, sagt Soltau.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Logistikimmobilie von morgen durch flexible, leicht umkonfigurierbare Räume auszeichnen wird, idealerweise mit erweiterbarem Lager, oder sogar Hochregallager, barrierefreien Ein- und Ausgängen, sowie Durchfahrtsmöglichkeiten.