Grenzregion Europas voll auf Kurs

Irland hat die harten Tage der Rezession hinter sich gelassen und blüht seitdem auf. Die Insel im Atlantik hat sich mittlerweile als Mittelglied zwischen den USA und Europa positioniert. Besonders der Technologiesektor boomt.

Heute liegen die schlimmsten Tage der irischen Rezession sechs Jahre zurück. Nach dem Rettungspaket, das die EU, die europäische Zentralbank und der IWF gemeinsam für Irland erarbeitet, steht die irische Wirtschaft heute blendend da. Das verdankt sie nicht zuletzt auch Bürgern wie O’Connor und dem Technologiesektor, der sein tägliches Brot ist.

Dessen in Wexford ansässige Firma Scurri stellt Sendungsmanagementsysteme für Paketdienste und den Online-Handel her. Mittlerweile beschäftigt er dort 25 Mitarbeiter und schloss zu Jahresbeginn einen Vertrag über die Bereitstellung von Strichcodesystemen für Paketdienste zur Lieferung von Waren im Wert von 3,4 Mrd. Euro ab.

Irland hat sich seinerseits vom Absturz seines Bruttoinlandsprodukts erholt, das 2009 um 7,1 % fiel, und freute sich 2015 über einen BIP-Anstieg um atemberaubende 7,8 %, womit das Land weltweit an vierter Stelle und weit vor den meisten Industrieländern lag, besonders im Vergleich seinen europäischen Nachbarn.

Dazu hat der Technologie-, Medien- und Telekommunikationssektor einen erheblichen Beitrag geleistet, von Startups wie Scurri bis hin zu internationalen Großkonzernen wie Facebook. Irland hat es geschafft, diesen globalen Trend auf ganz eigene Weise aufzugreifen. Und nicht nur das: Der Branche gelang es sogar, dem Land in den trübsten Tagen der Krise der Krise Hoffnung zu machen. 

Irland ist ein einmaliges Beispiel dafür, wie sich ein kleines Land erfolgreich in einer globalisierten Welt positionieren kann. Aus dem boomenden Technologiesektor konnte die Inselnation jedenfalls gekonnter als jeder andere Kleinstaat Kapital schlagen. 55.000 Menschen sind im IT- und Kommunikationssektor beschäftigt und die Branche zählt zu den wichtigsten der irischen Wirtschaft. Mit 35 Mrd. Euro pro Jahr und wird sie nur von der Pharmaindustrie übertroffen, wie Daten der irischen Organisation zur Förderung von Direktinvestitionen (IDA) verraten.

Die irische Republik Irland hat sich in der internationalen Wirtschaft und im Technologiesektor meisterhaft als Mittelglied zwischen den USA und Europa positioniert, das den Blick sowohl nach Osten als auch nach Westen richtet und dank einer hervorragend ausgebildeten Arbeitnehmerschaft für Investitionen aus beiden Regionen attraktiv ist.

Das ist natürlich auch zu großen Teilen auf die niedrigen Steuern zurückzuführen. Man kann unmöglich davon reden, wie sich Irland von der Krise erholt hat, ohne seinen Ruf als Steuerparadies zu erwähnen: Irland hat mit 12,5 % die niedrigste Körperschaftssteuer in Europa, weit geringer als in Ländern wie Frankreich und Deutschland, wo sie bei 33 % bzw. 29 % liegt. 

Obwohl die gebildete, Englisch sprechende Bevölkerung sicher kein Nachteil ist, waren es vor allem die Steuern, die Unternehmen wie Google, Facebook und Twitter dazu bewogen, ihren europäischen Hauptsitz nach Dublin zu verlagern. Insgesamt liegt der Beitrag ausländischer Direktinvestitionen zur irischen Wirtschaft bei ca. 21 Mrd. Euro pro Jahr. Wirtschaftsprüfer von Grant Thornton berichten, dass Firmen aus Übersee weitere 2,8 Mrd. Euro an Körperschaftssteuern zahlen. 

O’Connor geht jedoch noch weiter: Irland hätte sich darüber hinaus hervorragend aufgestellt, um von diesem enormen Zustrom an Investitionen und Talent zu profitieren, vor allem im Technologiesektor. Das Land hat sich nicht nur an die Bedürfnisse dieser Unternehmen angepasst, sondern auch von ihnen gelernt: Es ist eine ganz einmalige irische Startup-Szene entstanden.

„Irland hat sich zu einem einmaligen Drehkreuz zwischen den USA und Europa gemausert,“ argumentiert er. „Viele Menschen hier haben bereits für US-Unternehmen gearbeitet, sodass amerikanische Firmen wissen, dass sie hier das richtige Personal finden werden. Eine Menge irische Unternehmen – sogar kleinere – haben ein sehr amerikanisches Flair. Für Firmen, die auf dem europäischen Markt aktiv sein möchten, ist Irland daher ein hervorragender Standort.“

„Investoren im Silicon Valley behalten Irland fest im Auge und viele große Venture-Kapitalgeber sind vor Ort in Dublin präsent. Aber nicht nur das: Mit diesen Firmen sind auch viele Menschen nach Irland gekommen, die wissen, wie man ein Unternehmen aufbaut und vermarktet. Das war von unschätzbarem Wert.”

O’Connor weist darauf hin, dass der Technologiesektor nach der Rezession aus dem Schatten des Immobiliensektors hervortreten konnte, der die irische Wirtschaft in den Jahren vor dem Crash fest im Griff hatte und dessen schuldenfinanzierte Investmentblase die Auswirkungen der Krise weiter verschärft hatte. 

Die Technologiebranche sei obendrein einfach ideal positioniert, genau dann zu florieren, wenn Banken den Rückzug antreten. 

„Die Bankenkrise hat sich kaum darauf ausgewirkt, weil Banken Startups ohnehin nicht wirklich finanzieren”, erklärt er. „Die Mittel liefern eher Venture-Kapitalgeber und Business Angels. Es ist sogar mehr Geld in den Venturekapitalbereich geströmt, weil all die Leute, die zuvor in Immobilien investiert hatten, sich plötzlich damit beschäftigten.“

„Während und nach der Rezession war es gesellschaftlich eher akzeptiert – und notwendig –, dass junge Leute ihr eigenes Geschäft gründeten. Die Tech-Startup-Szene gab den Leuten während der Rezession wieder etwas, woran sie glauben konnten. Sie sorgte dafür, dass das Feuer nicht ausging, und zeigte, dass Unternehmen wachsen und Arbeitsplätze schaffen konnten – der Sektor machte keine wirkliche Rezession durch. Das war für die Menschen hier sehr wichtig.” 

Prognosen zufolge wird sich das irische Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren etwas verhaltener geben. Die Europäische Kommission geht für 2016 von 4,9 % und 2017 von immer noch sehr soliden 3,7 % Wachstum aus. Außerdem dürfte der Einfluss der Technologie noch weiter zunehmen. 

Die Softwarefirma Intercom wird voraussichtlich das erste ur-irische „Unicorn-Startup“ – d. h. ein Startup-Unternehmen mit einer Marktbewertung von 1 Mrd. USD – sein. Gleichzeitig bauen internationale Firmen wie Google, Facebook und Twitter ihre Präsenz im Land aus. Alles lässt darauf schließen, dass der Sektor, der dem Land in finsteren Zeiten den Weg gewiesen hat, ihm auch in guten Zeiten als strahlendes Vorbild dienen wird.