
Die Tokenisierung der Vermögenswerte
07 / 03 / 22 - 16 minute read
Handel mit Kryptowährungen, NFT-Hype in der Kunstwelt… das Investieren über digitale Token ist im Kommen. Können Investoren zukünftig mit einer vergleichbaren Technologie auch direkt in Immobilien investieren?
Anlagenotstand ist für Investoren längst kein Fremdwort mehr. In der derzeitigen Nullzinswelt nagt die Inflation an Bargeldbeständen. Und auch Anleihen sind keine renditestarke Alternative mehr. Dividendenaktien könnten eine Überlegung wert und langfristig rentabel sein; vorausgesetzt, das entsprechende Unternehmen übersteht die aktuellen und zukünftigen Digitalisierungswellen – doch auch das ist keineswegs sicher.
Keine Frage: Im momentanen Umfeld steigt das Interesse an sicheren Investments mit garantierter Rendite und einer langfristiger Perspektive. Zum Beispiel ein Investment in einen stark frequentierten Bahnhof, den die Beschäftigten morgens auf dem Weg zur Arbeit nutzen. Oder in ein attraktives zukunftweisendes Bürogebäude in der eigenen Region. Oder in die regionale Energieversorgung.
Solche und ähnliche Investments existieren seit Jahren, stehen in der Regel aber nur Großinvestoren offen. Privatanleger oder mittelgroße Investoren mussten sich bis dato überwiegend auf Aktien, Anleihen oder Bargeld als liquide Assetklassen konzentrieren.
Könnten Investment Token im Immobilienbereich zukünftig auch Privatanlegern neue Investmentchancen bieten? Gerade in diesem Sektor kommt es häufig auf kleinste Details an, um entsprechende Erfolge zu erzielen. Deshalb bezweifeln einige Immobilienmanager und -Großinvestoren, dass dieser Sektor auch für eine größere Anzahl von Privatanlegern eines Tages in Frage kommen könnte. Allerdings ist Bewegung in die Sache gekommen. Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen wie Programmierung, Recht, Regulierung und Finanzen sind dabei, die entsprechende Umgebung für diese neue Art von Investments zu schaffen.
Allen voran in Deutschland, Liechtenstein und Singapur. In enger Zusammenarbeit mit dem BIS Innovation Hub der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und teilnehmenden Geschäftsbanken entwickelt auch die Schweiz derzeit ein digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, kurz: CBDC) zur Verbriefung und Finanzierung von Vermögenswerten über sog. Token. Untersucht werden dabei die Abwicklung von Interbank-, geldpolitischen und grenzüberschreitenden Transaktionen auf Testsystemen der Börse, von Clearingstellen und Kernbankensystemen.
Inhaltsverzeichnis
Gleichermaßen starteten Liechtenstein und Singapur ähnliche Investment-Token-Testprogramme. Liechtenstein hat zuletzt einen regulatorischen Rahmen geschaffen, um Investoren tokenisierte Immobilien in Fondsform anbieten zu können. Noch müssen Fragen zur Geldwäsche sowie steuerliche Aspekte geklärt werden. Danach soll es möglich sein, von überall auf der Welt in solche Token zu investieren. All diese Token-Netzwerke verwenden ein Direct-to-Investor-Modell, das sehr wahrscheinlich die Anzahl der derzeit an grenzüberschreitenden Transaktionen beteiligten Intermediäre verringern wird.
Bei der Tokenisierung handelt es sich um die digitalisierte Abbildung eines (Vermögens-) Wertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit. Um dies zu realisieren wird der Wert mit einem Smart Contract verknüpft und resultiert in einem Token. Die Informationen zu den jeweiligen Rechten werden in einem Distributed Ledger, einem öffentlichen, dezentral geführten Kontobuch, gespeichert. Dieser Distributed Ledger ist die technologische Grundlage virtueller Währungen und dient dazu, im digitalen Zahlungs- und Geschäftsverkehr Transaktionen von Nutzer zu Nutzer aufzuzeichnen, ohne dass es einer zentralen Stelle bedarf, die jede einzelne Transaktion legitimiert. In seiner einfachsten Form ist dies einer der grundlegenden Unterschiede zur traditionellen Finanzwelt, in der eine Investition in der Regel digital dargestellt, aber bei einem zentralen Intermediär, beispielsweise einer Verwahrstelle, gespeichert wird.
Eine kurze Geschichte der Tokenisierung
Gerste, Hirschleder, Kaurimuscheln und Casino-Chips haben eines gemeinsam: Sie alle dienten oder dienen in einem Tauschsystem als Vermögenswert. Gerste war Tauschmittel bei den alten Sumerern. Hirschleder diente als „Token“ in den Gründerjahren der Vereinigten Staaten. Und Kaurimuscheln wurden vor über 700 Jahren im indopazifischen, arabischen und afrikanischen Raum zum Tauschen eingesetzt.
Später erfüllten Gold und Papiergeld innerhalb modernerer Finanzsysteme dieselbe Funktion. Tokenisierung ist also nichts Neues. Nur ihre Form unterliegt mit der Zeit dem Wandel. Gerade in einer digitalisierten Welt. Wie ein Casino-Chip oder eine Bonuskarte repräsentiert ein digitaler Token eine bestimmte Menge an digitalen Ressourcen, die eine Person besitzt, einer anderen zuweisen oder später einlösen kann.
Bitcoin gilt als Pionier unter den Kryptowährungen. Tatsächlich gab es die ersten digitalen Token schon früher. Experten sind sich uneinig, welcher Token nun tatsächlich der erste war. Sicher ist, dass Token bereits bei den ersten Virtual-Reality-Spielen in den frühen 2000er Jahren genutzt wurden. Damals erwarben Gamer Token, um den nächsten Spielelevel zu erreichen anstatt zusätzliche Aufgaben lösen zu müssen.
Im Oktober 2008 betrat dann ein bis heute unbekannter Autor unter dem Pseudonym Satoshi die Weltbühne und stellte eine neue Technologie namens Blockchain vor. Dabei handelte es sich um ein Konzept, das auf Vereinbarungen zwischen den Teilnehmer beruhen sollte – ganz ohne zentrale Vermittlungsstelle. Nakamoto schürfte im Januar 2009 den ersten Bitcoin – die erste digitale Münze und das Blockchain-Netzwerk waren geboren.
Wertmäßig hat der Bitcoin inzwischen eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich - von etwa 0,08 $ im Jahr 2010 bis zu seinem bisherigen Allzeithoch von knapp unter 67.000 $ im Oktober 2021. Stand Februar 2022 steht der Kurs bei rund 39.000 $. Das Weltwirtschaftsforum und das Beratungsunternehmen Deloitte sagen voraus, dass bis etwa 2025 oder 2027 rund 10 % des globalen BIP mithilfe der Blockchain-Technologie tokenisiert werden.


Mehr als ein Token
Der Ablauf einer Investition in einen Token unterscheidet sich kaum von bisherigen Investitionen: Der Investor loggt sich auf einer Investmentplattform ein und erhält eine digitale Adresse (Public Key) sowie ein Passwort (Private Key) für seinen digitalen Geldbeutel (Wallet) zugewiesen. Nachdem ein Token ausgegeben wurde und ein Investor der Investition zustimmt, werden die Gelder überwiesen und der Token zur sicheren Aufbewahrung an das Wallet des Investors geschickt. In einer Welt, in der Technologien wie Blockchain zukünftig zum Alltag gehören werden, eröffnet diese scheinbar einfache Änderung der Anordnung ein erhebliches Potenzial für den Finanzsektor und die globalen Anlagemärkte.
Tokens als Game Changer
Immobilien binden in der Regel viel Kapital und verpflichten die Akteure anfangs in hohem Maße. Die meisten Privatanleger waren deshalb bislang von dieser Art Investition ausgeschlossen. Während Verbriefungen für kleinere Anleger seit jeher eine praktikable Möglichkeit waren, Zugang zu Anteilen an unternehmerischem Fremd- und Eigenkapital zu erhalten, war die Umsetzung bei direkten Immobilieninvestitionen komplexer.
Die Einführung von Token als neue Form der Wertpapierhaltung – anstatt wie bislang etwa über Fondsanteile - könnte im Bereich der Investitionen eine neue Ära einleiten. Eine Investition über Distributed Ledger -Technologien, kurz DLT, könnte es dem modernen Privatanleger ermöglichen, ein breit diversifiziertes Portfolio aus Aktien und Anleihen oder Bruchteilen von Immobilien – dargestellt durch Token –aufzubauen. Inklusive der Übertragung von Verfügungsrechten und Verbriefungen zum Beispiel bei Immobilienpools.
Derzeit sind die Anlagemöglichkeiten im Bereich Immobilien für Privatanleger überschaubar. Zukünftig könnte nun eine standardisierte, kostengünstige Art der direkten und indirekten Anlage in inflationsgeschützte Vermögenswerte wie Immobilien oder Infrastrukturprojekte entstehen. Bei entsprechender Weiterentwicklung könnte Tokenisierung somit zu einem echten Game Changer werden.
Das folgende Diagramm zeigt, wie eine beispielhafte Tokenisierung von Immobilien aussehen könnte. In ihrer Struktur wird sich die Tokenisierung nicht besonders von bekannten Formen der Verbriefung, die Anlegern zur Verfügung stehen, unterscheiden. Darüber hinaus dürften dieselben Intermediäre (Vermögensverwalter, Depotbank) wie bislang wahrscheinlich weiterhin eine gewisse Rolle spielen.
Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass jeder einzelne Token sämtliche Informationen, Rechte und programmierte Anweisungen in digitaler Form enthält, so dass jeder Teilnehmer die entsprechenden direkten Zugriffsrechte hat, in Sekundenschnelle handeln kann und z.B. auch spätere Zins- oder Dividendenzahlungen automatisch erhält. Auf diese Weise sparen die Vertragsparteien im Vergleich zu papierhaften Verträgen (wie z.B. bei herkömmlichen Fondsanteilen) bürokratischen Aufwand, Zeit und Geld. Die direkte Handelbarkeit der Token stärkt zudem die Liquidität der Investoren. Auch dies ein Vorteil gegenüber etwa Anteilen an einem geschlossenen Fonds.
Nach wie vor ungelöst bei der Tokenisierung von Investitionen ist das Thema Denominierung. Welche Währung also sollte als Maßstab dienen, um den Wert eines Investment Tokens zu bestimmen? Aktien und Anleihen lauten auf staatlich ausgegebene Währungen, obwohl die Verwendung und der Handel mit diesen Währungen in der Praxis bereits in digitalisierter Form erfolgt (z.B. bei Online-Zahlungen).
Distributed-Ledger-Technologie jedoch funktioniert anders als Onlineüberweisungen: Geld oder Werte, die hierüber ausgetauscht werden, müssen nicht nur digital sein, sondern auch innerhalb einer Nutzergruppe übertragbar. Nur wenn jeder einzelne Teilnehmer tatsächlich dieselbe Währung verwendet und akzeptiert, können die Prozesse dezentral, also ohne zentralen Mittler, ablaufen. Bislang jedoch haben lediglich Nigeria und die Bahamas digitale Zentralbankwährungen eingeführt. Alle größeren Volkswirtschaften befinden sich noch in der Pilotphase.
Übergangswährungen wie Stablecoins werden derzeit häufig noch als „Auf -und Abfahrt“ zu Distributed-Ledger-Networks, die Kryptowährungen verwenden, genutzt. Diese Coins jedoch verhalten sich weiterhin wie unregulierte und unbesicherte Währungsswaps. Deswegen bleiben sie wohl nur eine vorübergehende Erscheinung. Festzuhalten bleibt: Die nur langsam voranschreitende Akzeptanz unregulierter digitaler Währungen bei Langfristinvestoren und das Fehlen eines wirklich digitalisierten gesetzlichen Zahlungsmittels haben bislang einen Durchbruch der Tokenisierung in der Finanzwelt auf breiter Ebene verhindert.
Investitionen in tokenisierte Immobilien verlaufen derzeit weiterhin über die Zahlung in einer Kryptowährung wie zum Beispiel Ether. Oder über spezielle maßgeschneiderte digitale Coins. Aufgrund ihrer Komplexität und Neuartigkeit bleibt diese Praxis bisher jedoch eine Randerscheinung. Zumal solche Vereinbarungen zunächst eine Umwandlung von Fiatgeld in eine unregulierte digitale Währung und dann wieder zurück voraussetzen.
Eine zentrale digitale Zentralbankwährung wie zum Beispiel ein digitaler Schweizer Franken zur Denominierung und für die Transaktion in Token würde der Entwicklung einen Schub verleihen. In Verbindung mit weiteren Regulierungen könnte dies Investitionen in Immobilien über Distributed-Ledger-Netzwerke auch für traditionelle Investoren von einem Tag auf den anderen interessant machen.
Tokenisierung von Immobilien
Die Meinungen über den Einsatz sowie die Vorteile von Token gehen weit auseinander – von wahren Enthusiasten bis zu eingefleischten Skeptikern. Richtig ist: Kryptowährungen können kommen und gehen. Alles in allem ist jedoch die Entwicklung in Richtung Distributed-Ledger-Technologie bei zukünftigen Finanzierungen wohl nicht mehr aufzuhalten. Bei entsprechender Weiterentwicklung könnten solche Netzwerke zukünftig zu einem Schlüsselfaktor bei Investition in Immobilien werden. Auch E-Mails wurden anfangs von einigen belächelt. Und tatsächlich: Ohne entsprechende Internetdienste war der Nutzen eines Austauschs von Informationen innerhalb eines damals begrenzten Computernetzwerks sehr überschaubar. Lange Zeit blieb unklar, ob sich hieraus jemals eine neue Form der Massenkommunikation entwickeln würde. Aus heutiger Sicht erscheinen auch die Einsatzmöglichkeiten für Kryptowährungen oder Token begrenzt. Aber auch in diesem Bereich könnten eines Tages Anwendungen entstehen, an die wir heute noch gar nicht denken.
Zum Beispiel könnte der Immobilien-Investor von Morgen andere Präferenzen setzen als heute. An direkten Investitionen in Immobilien oder an Immobilienfondsanteilen interessierte Investoren werden zukünftig mit einiger Wahrscheinlichkeit bislang nicht bekannte Anlagemöglichkeiten angeboten werden. Immobilien-Investitionen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie versprechen jedenfalls eine erhebliche Kostenersparnis auf der einen sowie einen liquideren Handel auf der anderen Seite. Mehr darüber in einem der folgenden Artikel aus dieser Serie.
Abbildung 1: Beispielstruktur für die Tokenisierung von Immobilien
Gleichermaßen starteten Liechtenstein und Singapur ähnliche Investment-Token-Testprogramme. Liechtenstein hat zuletzt einen regulatorischen Rahmen geschaffen, um Investoren tokenisierte Immobilien in Fondsform anbieten zu können. Noch müssen Fragen zur Geldwäsche sowie steuerliche Aspekte geklärt werden. Danach soll es möglich sein, von überall auf der Welt in solche Token zu investieren. All diese Token-Netzwerke verwenden ein Direct-to-Investor-Modell, das sehr wahrscheinlich die Anzahl der derzeit an grenzüberschreitenden Transaktionen beteiligten Intermediäre verringern wird.
Bei der Tokenisierung handelt es sich um die digitalisierte Abbildung eines (Vermögens-) Wertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit. Um dies zu realisieren wird der Wert mit einem Smart Contract verknüpft und resultiert in einem Token. Die Informationen zu den jeweiligen Rechten werden in einem Distributed Ledger, einem öffentlichen, dezentral geführten Kontobuch, gespeichert. Dieser Distributed Ledger ist die technologische Grundlage virtueller Währungen und dient dazu, im digitalen Zahlungs- und Geschäftsverkehr Transaktionen von Nutzer zu Nutzer aufzuzeichnen, ohne dass es einer zentralen Stelle bedarf, die jede einzelne Transaktion legitimiert. In seiner einfachsten Form ist dies einer der grundlegenden Unterschiede zur traditionellen Finanzwelt, in der eine Investition in der Regel digital dargestellt, aber bei einem zentralen Intermediär, beispielsweise einer Verwahrstelle, gespeichert wird.
Eine kurze Geschichte der Tokenisierung
Gerste, Hirschleder, Kaurimuscheln und Casino-Chips haben eines gemeinsam: Sie alle dienten oder dienen in einem Tauschsystem als Vermögenswert. Gerste war Tauschmittel bei den alten Sumerern. Hirschleder diente als „Token“ in den Gründerjahren der Vereinigten Staaten. Und Kaurimuscheln wurden vor über 700 Jahren im indopazifischen, arabischen und afrikanischen Raum zum Tauschen eingesetzt.
Später erfüllten Gold und Papiergeld innerhalb modernerer Finanzsysteme dieselbe Funktion. Tokenisierung ist also nichts Neues. Nur ihre Form unterliegt mit der Zeit dem Wandel. Gerade in einer digitalisierten Welt. Wie ein Casino-Chip oder eine Bonuskarte repräsentiert ein digitaler Token eine bestimmte Menge an digitalen Ressourcen, die eine Person besitzt, einer anderen zuweisen oder später einlösen kann.
Bitcoin gilt als Pionier unter den Kryptowährungen. Tatsächlich gab es die ersten digitalen Token schon früher. Experten sind sich uneinig, welcher Token nun tatsächlich der erste war. Sicher ist, dass Token bereits bei den ersten Virtual-Reality-Spielen in den frühen 2000er Jahren genutzt wurden. Damals erwarben Gamer Token, um den nächsten Spielelevel zu erreichen anstatt zusätzliche Aufgaben lösen zu müssen.
Im Oktober 2008 betrat dann ein bis heute unbekannter Autor unter dem Pseudonym Satoshi die Weltbühne und stellte eine neue Technologie namens Blockchain vor. Dabei handelte es sich um ein Konzept, das auf Vereinbarungen zwischen den Teilnehmer beruhen sollte – ganz ohne zentrale Vermittlungsstelle. Nakamoto schürfte im Januar 2009 den ersten Bitcoin – die erste digitale Münze und das Blockchain-Netzwerk waren geboren.
Wertmäßig hat der Bitcoin inzwischen eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich - von etwa 0,08 $ im Jahr 2010 bis zu seinem bisherigen Allzeithoch von knapp unter 67.000 $ im Oktober 2021. Stand Februar 2022 steht der Kurs bei rund 39.000 $. Das Weltwirtschaftsforum und das Beratungsunternehmen Deloitte sagen voraus, dass bis etwa 2025 oder 2027 rund 10 % des globalen BIP mithilfe der Blockchain-Technologie tokenisiert werden.


Mehr als ein Token
Der Ablauf einer Investition in einen Token unterscheidet sich kaum von bisherigen Investitionen: Der Investor loggt sich auf einer Investmentplattform ein und erhält eine digitale Adresse (Public Key) sowie ein Passwort (Private Key) für seinen digitalen Geldbeutel (Wallet) zugewiesen. Nachdem ein Token ausgegeben wurde und ein Investor der Investition zustimmt, werden die Gelder überwiesen und der Token zur sicheren Aufbewahrung an das Wallet des Investors geschickt. In einer Welt, in der Technologien wie Blockchain zukünftig zum Alltag gehören werden, eröffnet diese scheinbar einfache Änderung der Anordnung ein erhebliches Potenzial für den Finanzsektor und die globalen Anlagemärkte.
Tokens als Game Changer
Immobilien binden in der Regel viel Kapital und verpflichten die Akteure anfangs in hohem Maße. Die meisten Privatanleger waren deshalb bislang von dieser Art Investition ausgeschlossen. Während Verbriefungen für kleinere Anleger seit jeher eine praktikable Möglichkeit waren, Zugang zu Anteilen an unternehmerischem Fremd- und Eigenkapital zu erhalten, war die Umsetzung bei direkten Immobilieninvestitionen komplexer.
Die Einführung von Token als neue Form der Wertpapierhaltung – anstatt wie bislang etwa über Fondsanteile - könnte im Bereich der Investitionen eine neue Ära einleiten. Eine Investition über Distributed Ledger -Technologien, kurz DLT, könnte es dem modernen Privatanleger ermöglichen, ein breit diversifiziertes Portfolio aus Aktien und Anleihen oder Bruchteilen von Immobilien – dargestellt durch Token –aufzubauen. Inklusive der Übertragung von Verfügungsrechten und Verbriefungen zum Beispiel bei Immobilienpools.
Derzeit sind die Anlagemöglichkeiten im Bereich Immobilien für Privatanleger überschaubar. Zukünftig könnte nun eine standardisierte, kostengünstige Art der direkten und indirekten Anlage in inflationsgeschützte Vermögenswerte wie Immobilien oder Infrastrukturprojekte entstehen. Bei entsprechender Weiterentwicklung könnte Tokenisierung somit zu einem echten Game Changer werden.
Das folgende Diagramm zeigt, wie eine beispielhafte Tokenisierung von Immobilien aussehen könnte. In ihrer Struktur wird sich die Tokenisierung nicht besonders von bekannten Formen der Verbriefung, die Anlegern zur Verfügung stehen, unterscheiden. Darüber hinaus dürften dieselben Intermediäre (Vermögensverwalter, Depotbank) wie bislang wahrscheinlich weiterhin eine gewisse Rolle spielen.
Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass jeder einzelne Token sämtliche Informationen, Rechte und programmierte Anweisungen in digitaler Form enthält, so dass jeder Teilnehmer die entsprechenden direkten Zugriffsrechte hat, in Sekundenschnelle handeln kann und z.B. auch spätere Zins- oder Dividendenzahlungen automatisch erhält. Auf diese Weise sparen die Vertragsparteien im Vergleich zu papierhaften Verträgen (wie z.B. bei herkömmlichen Fondsanteilen) bürokratischen Aufwand, Zeit und Geld. Die direkte Handelbarkeit der Token stärkt zudem die Liquidität der Investoren. Auch dies ein Vorteil gegenüber etwa Anteilen an einem geschlossenen Fonds.
Nach wie vor ungelöst bei der Tokenisierung von Investitionen ist das Thema Denominierung. Welche Währung also sollte als Maßstab dienen, um den Wert eines Investment Tokens zu bestimmen? Aktien und Anleihen lauten auf staatlich ausgegebene Währungen, obwohl die Verwendung und der Handel mit diesen Währungen in der Praxis bereits in digitalisierter Form erfolgt (z.B. bei Online-Zahlungen).
Distributed-Ledger-Technologie jedoch funktioniert anders als Onlineüberweisungen: Geld oder Werte, die hierüber ausgetauscht werden, müssen nicht nur digital sein, sondern auch innerhalb einer Nutzergruppe übertragbar. Nur wenn jeder einzelne Teilnehmer tatsächlich dieselbe Währung verwendet und akzeptiert, können die Prozesse dezentral, also ohne zentralen Mittler, ablaufen. Bislang jedoch haben lediglich Nigeria und die Bahamas digitale Zentralbankwährungen eingeführt. Alle größeren Volkswirtschaften befinden sich noch in der Pilotphase.
Übergangswährungen wie Stablecoins werden derzeit häufig noch als „Auf -und Abfahrt“ zu Distributed-Ledger-Networks, die Kryptowährungen verwenden, genutzt. Diese Coins jedoch verhalten sich weiterhin wie unregulierte und unbesicherte Währungsswaps. Deswegen bleiben sie wohl nur eine vorübergehende Erscheinung. Festzuhalten bleibt: Die nur langsam voranschreitende Akzeptanz unregulierter digitaler Währungen bei Langfristinvestoren und das Fehlen eines wirklich digitalisierten gesetzlichen Zahlungsmittels haben bislang einen Durchbruch der Tokenisierung in der Finanzwelt auf breiter Ebene verhindert.
Investitionen in tokenisierte Immobilien verlaufen derzeit weiterhin über die Zahlung in einer Kryptowährung wie zum Beispiel Ether. Oder über spezielle maßgeschneiderte digitale Coins. Aufgrund ihrer Komplexität und Neuartigkeit bleibt diese Praxis bisher jedoch eine Randerscheinung. Zumal solche Vereinbarungen zunächst eine Umwandlung von Fiatgeld in eine unregulierte digitale Währung und dann wieder zurück voraussetzen.
Eine zentrale digitale Zentralbankwährung wie zum Beispiel ein digitaler Schweizer Franken zur Denominierung und für die Transaktion in Token würde der Entwicklung einen Schub verleihen. In Verbindung mit weiteren Regulierungen könnte dies Investitionen in Immobilien über Distributed-Ledger-Netzwerke auch für traditionelle Investoren von einem Tag auf den anderen interessant machen.
Tokenisierung von Immobilien
Die Meinungen über den Einsatz sowie die Vorteile von Token gehen weit auseinander – von wahren Enthusiasten bis zu eingefleischten Skeptikern. Richtig ist: Kryptowährungen können kommen und gehen. Alles in allem ist jedoch die Entwicklung in Richtung Distributed-Ledger-Technologie bei zukünftigen Finanzierungen wohl nicht mehr aufzuhalten. Bei entsprechender Weiterentwicklung könnten solche Netzwerke zukünftig zu einem Schlüsselfaktor bei Investition in Immobilien werden. Auch E-Mails wurden anfangs von einigen belächelt. Und tatsächlich: Ohne entsprechende Internetdienste war der Nutzen eines Austauschs von Informationen innerhalb eines damals begrenzten Computernetzwerks sehr überschaubar. Lange Zeit blieb unklar, ob sich hieraus jemals eine neue Form der Massenkommunikation entwickeln würde. Aus heutiger Sicht erscheinen auch die Einsatzmöglichkeiten für Kryptowährungen oder Token begrenzt. Aber auch in diesem Bereich könnten eines Tages Anwendungen entstehen, an die wir heute noch gar nicht denken.
Zum Beispiel könnte der Immobilien-Investor von Morgen andere Präferenzen setzen als heute. An direkten Investitionen in Immobilien oder an Immobilienfondsanteilen interessierte Investoren werden zukünftig mit einiger Wahrscheinlichkeit bislang nicht bekannte Anlagemöglichkeiten angeboten werden. Immobilien-Investitionen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie versprechen jedenfalls eine erhebliche Kostenersparnis auf der einen sowie einen liquideren Handel auf der anderen Seite. Mehr darüber in einem der folgenden Artikel aus dieser Serie.