
Bioenergie und ihre Bedeutung für die Energiewende
14 / 06 / 23 - 7 minute read
Die Kernfusion, bei der leichte Atome miteinander verschmelzen, bringt die Sonne und andere Sterne zum Strahlen. Lange wurde sie als Lösung für eine nachhaltige und saubere Energieversorgung diskutiert. Der jüngste wissenschaftliche Durchbruch Anfang dieses Jahres schürte diese Hoffnung weiter – jedoch wurde dabei gerade einmal genug Energie zum Betrieb einiger Wasserkocher produziert. Zudem lässt sich immer noch nicht sagen, wann und ob die Kernfusion überhaupt für eine breite Nutzung verfügbar sein wird.
Im schlimmsten Fall könnte diese Technologie als rein theoretisches Konzept in Büchern und futuristischen Kinofilmen verhaftet bleiben – obwohl die Welt mittlerweile verstärkt auf eine nachhaltige Energieproduktion setzt, um schädlichen fossilen Brennträger den Rücken zu kehren und Energiesicherheit sowie – mit Blick auf den Krieg in der Ukraine – lokale Energiequellen zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
Wasserstoff in den Startlöchern
Auch Wasserstoff bietet die Chance zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zugunsten sauberer und nachhaltiger Energie. Obwohl schon deutlich weiter als die Kernfusion, ist auch diese Technologie längst noch nicht ausgereift. Derzeit laufen in den PATRIZIA eigenen Kavernen der kleinen ostfriesischen Gemeinde Etzel spannende Pilotprojekte zur Lagerung von Wasserstoff. Dort werden aktuell über 10 Millionen Tonnen Erdöl gespeichert, die einen Teil der 90-Tage-Rohstoffreserven von Belgien, Deutschland und den Niederlanden darstellen.
Fazit: Für die dringend notwendige Dekarbonisierung der Energiebranche, die für 73,2% der weltweiten Treibhausgase verantwortlich ist, mögen Wasserstoff und Kernfusion langfristig einen gangbaren Weg eröffnen. Zur schnellstmöglichen Unterstützung der Energiewende sind jedoch andere, bereits vielfältig einsetzbare Lösungen gefragt – wie Bioenergie.
Bioenergie
Bei dieser erneuerbaren Alternative wird Biomasse in Wärme, Strom, Biogas und Biokraftstoffe wie Ethanol, Biodiesel und nachhaltigen Luftfahrttreibstoff (SAF) umgewandelt. Die einfachste und bislang übliche Methode zur Gewinnung von Bioenergie ist die Verbrennung von Biomasse wie Holz, Abfälle und Holzkohle.
Dieses Verfahren kommt aufgrund seiner Schädlichkeit jedoch immer weniger zum Einsatz. Zwar gehören diese Materialien zusammen mit beispielsweise Energiepflanzen und biologisch abbaubaren Abfällen weiterhin zur Biomasse, der Umwandlungsprozess wurde jedoch für eine moderne Bioenergie weiterentwickelt und umweltfreundlicher gestaltet.
So gibt es heute neben Verfahren zur kontrollierten Verbrennung zwei weitere Gewinnungstechniken: zum einen die anaerobe Gärung, bei der organische Abfälle mithilfe von Mikroorganismen zerlegt werden, zum anderen die thermochemische Umwandlung, bei der für die Produktion von Strom und erneuerbaren Gasen verschiedene Materialien bei hohen Temperaturen verbrannt werden.
Staatsregierungen sind natürlich sehr daran interessiert, ein günstiges Umfeld für die Produktion von Bioenergie zu schaffen. Dass Wirtschaft und Politik dabei ineinandergreifen, lässt sich am Beispiel USA verdeutlichen. Bis 2010 war das Land lediglich Importeur von Bioenergie. Mitte der 2000er-Jahre wurden jedoch zwei Gesetze verabschiedet, die die USA am Ende zum Nettoexporteur von Bioenergie machten: 2005 trat der Energy Policy Act (EPA) mit dem Renewable Fuel Standard (RFS) in Kraft, der einen Mindestanteil an erneuerbaren Treibstoffen in allen Kraftstoffen verlangte, sowie Steuervorteile für Erzeuger von Biokraftstoffen brachte – beides gilt bis heute.
Zwei Jahre später wurde der Energy Independence and Security Act (EISA) eingeführt. Er sah bis 2022 eine fast achtfache Steigerung der Biokraftstoffproduktion sowie einen Energierohstoff-Mix vor, der statt Maisstärke moderne Biokraftstoffe mit Ausgangsmaterialien wie Zucker und Zellulose verwendet. Beide Gesetze erhielten im August 2022 weiter Rückenwind, als unter dem aktuellen US-Präsidenten Joe Biden der Inflation Reduction Act rechtskräftig wurde. Er untermauert den RFS und gewährt neue Steuervorteile für SAFs und andere Biokraftstoffe. Infolgedessen gehören die USA heute zu den einflussreichsten Herstellern von Bioenergie.
Oliver Hailzl, Director of Infrstructure bei PATRIZIA
Europa führend bei Biogaserzeugung
Werfen wir nun einen Blick auf Biogas als eine von vielen Formen der Bioenergie: Letzten Auswertungen im Jahr 2018 zufolge ist Europa hier mit rund 18 Megatonnen Öläquivalenten (Mtoe) der größte Erzeuger, mit klarem Abstand gefolgt von China mit knapp 8 Mtoe. Der größte europäische Markt ist Deutschland, den zweiten Platz belegt Italien. Auch Dänemark, Frankreich und die Niederlande weisen eine florierende Biogasproduktion auf.
Biogas kann zu Biomethan aufbereitet werden, das auch als erneuerbares Erdgas bekannt und nicht von fossilem Erdgas zu unterscheiden ist. Es bietet den perfekten Ersatz für diese Energiequelle und lässt sich ohne weitere Anpassungen oder Investitionen in bestehenden Gasleitungen und Verteilernetzen sowie Fahrzeugen und Endgeräten einsetzen. Als weltweit führender Biogaserzeuger steht Europa – wenig überraschend – auch bei der Herstellung von Biomethan auf dem ersten Platz. Gestärkt wird diese Position durch die Pläne der EU, die Biomethanproduktion von aktuell 3 auf 35 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2030 zu steigern und so einen direkten Ersatz für Erdgas zu schaffen. Dafür müssen in den nächsten acht Jahren schätzungsweise 37 Milliarden € investiert werden.
Vielversprechende Aussichten mit Biomet
Nachdem PATRIZIA Infrastructure die Biogasbranche bereits seit mehreren Jahren intensiv beobachtet hat, investierte das Unternehmen letztes Jahr für seine Kunden rund 75 Millionen € in den italienischen Bio-LNG-Hersteller Biomet und stieg damit selbst in den Markt ein. PATRIZIA's Investition in Biomet umfasst weitere Kapitalzusagen zur Wachstumsförderung und verschafft PATRIZIA Infrastructure eine 80-prozentige Mehrheitsbeteiligung an dem Biogas-Unternehmen. Biomet betreibt damit künftig Europas größte Anlage für die Erzeugung von Biomethan-LNG aus Bioabfällen. Darüber hinaus wird die Anlage als erste Italiens direkt an das nationale Gastransportnetz des Versorgungsunternehmens Snam angeschlossen und über eine eigene Tankstelle verfügen.
Die Investition in den vertikal integrierten und in Mailand ansässigen Hersteller von Biogas und Bio-LNG umfasst ein Werk zur Produktion und Aufbereitung von Biogas, eine LNG-Verflüssigungsanlage für die Herstellung von Bio-LNG sowie eine zusätzliche Verteilungsinfrastruktur. Für die hohe Nachfrage nach Bio-LNG findet sich auf dem Gelände der Verflüssigungsanlage neben einem Verteilerzentrum auch eine eigene Tankstelle.
Im Sinne einer kohlenstoffarmen Kreislaufwirtschaft spielt Biomet eine wichtige Rolle. Jedes Jahr sollen aus über 40.000 Tonnen Bioabfall rund 5 Millionen Kubikmeter Biogas, 12 Millionen Kilogramm Düngemittel und 24 Millionen Liter Wasser entstehen. Ein Engagement, das nicht unbemerkt geblieben ist: Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes gehörte Biomet im Jahr 2022 zu den 100 nachhaltigsten Unternehmen Italiens.
Das kohlenstoffneutrale und bereits verfügbare Bio-LNG ist mit der bestehenden Infrastruktur sowie vorhandenen Antriebstechnologien kompatibel und unterstützt Italien auf dem Weg zur Netto-Null. Die Vorteile für die Dekarbonisierung liegen auf der Hand – aber hält die Investition auch einem Blick auf die Zahlen stand? „Biomet überzeugt damit, dass es die Energieunabhängigkeit unterstützt und zugleich stabile Cashflows vorweist“, berichtet Oliver Hailzl, Director of Infrastructure bei PATRIZIA. „Das Unternehmen erhebt für die Abnahme von Bioabfällen eine Gebühr von den Erzeugern. Zusammen mit staatlichen Anreizen und dem Verkauf von Bio-LNG sind diversifizierte Umsätze damit sicher.“
Biogas und LNG sind mittlerweile eine feste Größe in Italien: Landesweit gibt es über 100 Tankstellen für Lkw und Pkw, jüngst stiegen zudem viele Transportunternehmen zur Senkung der CO2-Emissionen auf sauberere Treibstoffe um. Der Umschwung auf Bio-LNG könnte den CO2-Ausstoß der italienischen Transportbranche weiter reduzieren.

Gute Wachstumschancen

Oliver Hailzl
Die Investition biete zudem Raum für weiteres Wachstum, so Hailzl weiter: „Wir sind in einem späten Bauabschnitt eingestiegen, der einen größeren Wert bietet. Die Tankstelle ist seit letztem Jahr in Betrieb, und die Verflüssigungsanlage sowie das Biomethan-Werk stehen kurz vor dem Bauabschluss. Sie sollen im Juli 2023 eröffnet werden. Unsere Aufgabe ist es, den Bau der Anlagen abzuschließen und das Management dabei zu unterstützen, ein Team für das künftige Wachstum aufzubauen.“ Und er ergänzt: „Die Biomethan-Anlage kann jährlich bis zu 40.000 Tonnen an Abfällen aufnehmen, wurde aber proaktiv für eine Steigerung um 50 % auf 60.000 Tonnen ausgelegt. Diese Verflüssigungskapazitäten sind zudem gut skalierbar und können um das Dreifache ausgeweitet werden – von aktuell 8.800 Tonnen Bio-LNG auf 26.400 Tonnen jährlich. Eine große Wachstumschance bieten auch externe Anlagen, die Biogas aus landwirtschaftlichem Ausgangsmaterial aufbereiten. Der kurzfristige Wachstumsplan umfasst vier Produktionsstätten für Biomethan aus diesen Rohstoffen, was jedoch auf zehn Anlagen ausgebaut werden könnte. Diese Branche bietet enorme Möglichkeiten für Wachstum und Kooperationen.“
Ein Beispiel dafür lieferte jüngst auch Goldman Sachs: Wie im Februar dieses Jahres bekannt wurde, will die Großbank 1 Milliarde € in den europäischen Biomethansektor investieren. Weitere Investitionen sollen folgen. Laut Hailzl hat sich PATRIZIA Infrastructure jedoch bereits einen guten Wettbewerbsvorsprung gesichert.
Doch wie steht es um die Zukunft von Biogas, wenn der Wasserstoff wirklich auf den Plan tritt? Hailzl sieht darin eine symbiotische Beziehung: „Hier gibt es die Möglichkeit, Abwasser aus den Anlagen in Wasserstoff-Treibstoff aufzubereiten. Für die Zukunft erwarten wir einen Trend zur Kombination von Biogas mit Wasserstoff.“