Zentral in der digitalen Zukunft: Big Data
Die Grundlage heißt Big Data: „Daten sind das neue Öl“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto mehr Möglichkeiten lassen sich für individuell zugeschnittene Produkte, Dienstleistungen und ganze Geschäftsmodelle ableiten. Dazu zählen Daten jeglicher Art – Auswertungen über Kunden, Mieter, Gebäude, Märkte, kurz- und langfristige Entwicklungen etc.
Der Immobilienbranche steht bereits eine Fülle an Daten zur Verfügung. Zentral gebündelt, können diese künftig intensiver und gezielter ausgeschöpft werden, um strategische Entscheidungen oder die Produktentwicklung voranzutreiben. Die Datenlage macht es Anbietern leicht, beispielsweise dem Megatrend Individualisierung im Wohnraum- und Bürosegment mit flexiblen Angeboten, Asset-Konzepten und Managementansätzen zu begegnen.
„Mit den Daten, die der Immobiliensektor über seine Assets, Mieter und Kunden generiert, steht der Branche eine Weiterentwicklungsmöglichkeit von unschätzbarem Wert zur Verfügung“, ist auch Alexander Betz, Leiter des Digitalisation Programme bei der PATRIZIA Immobilien AG, überzeugt.
“Mit den Daten, die der Immobiliensektor über seine Assets, Mieter und Kunden generiert, steht der Branche eine Weiterentwicklungsmöglichkeit von unschätzbarem Wert zur Verfügung”
Alexander Betz, Leiter Digitalisation Programme, PATRIZIA Immobilien AG
Google, Uber, Airbnb: Ganze Unternehmensmodelle basieren schon auf datengestützten Dienstleistungen. Sie besitzen nicht mehr das Produkt, nach dem der Kunde sucht, sondern die Daten dazu. Hier haben Immobilienunternehmen die Chance, sich neu zu positionieren. Mögliche Felder sind die noch umfassendere Beratung von Kunden, die Vermittlung zwischen Produzent und Kunden oder beispielsweise das Anbieten von Plattformen für die Gebäude- sowie Fondsverwaltung.
PropTech schafft Mehrwert
Auch bei der Asset-Entwicklung lässt sich die Digitalisierung nutzen: Unter dem Etikett PropTech (Property Technology) entsteht derzeit neue Möglichkeiten, Assets mit Dienstleistungen anzureichern und so attraktiver zu machen. Hier spielen Big Data und technologische Neuerungen zusammen. Die bereits angesprochene Individualisierung, getrieben von den technologieaffinen „Millennials“, wird dabei zu einem Kernfaktor.
Beispiel Smart Buildings: Intelligente Messsysteme, sog. Smart Meters (z.B. Sensoren) können künftig bei der optimalen Verwaltung unterstützen oder auf die individuellen Bedürfnisse des Nutzers eingehen. Automatisch übermittelte Daten zur Nutzungseffizienz von Konferenzräumen unterschiedlicher Größe können bei der Verwaltung eines Konferenzzentrums sowie bei der Weiterentwicklung des Gebäudekonzepts unterstützen. Aus den Medien ist das Beispiel des Lebensmittel bestellenden Kühlschranks hinreichend bekannt. Dieses sog. „Internet of Things“ funktioniert auch in Gebäuden, nur dass sie künftig eigenständig den Energieverbrauch messen und dank Vernetzung einen geeigneten Stromversorger ermitteln. Das Facility Management steht vor entsprechenden Umbrüchen bei Aufgaben und Anforderungen.
Auch branchenfremde Entwicklungen können Änderungen in Real Estate anstoßen. In die Ferne gedacht: Das vieldiskutierte autonome Fahren steht zwar derzeit noch vor seinen eigenen Herausforderungen. Aber es könnte den Leitspruch „Lage, Lage, Lage“ ins Wanken bringen. Vernetzte, autonom fahrende Fahrzeuge unterstützen den Fahrer bei Navigation, Betankung und optimaler Erreichbarkeit von Zielen. Der zentrale Faktor Anfahrt könnte damit schon bald in den Hintergrund treten – und periphere Büro- oder Wohnimmobilien in Asset-armen Metropollagen an Bedeutung gewinnen. Der Umbruch, der der Automobilindustrie bevorsteht, wirkt sich also auch auf Nachfrage und Produktentwicklung in anderen Branchen aus.
Papierlose Transaktionen?
Im Rahmen der Digitalisierung werden auch grundlegende Geschäftsprozesse rundumerneuert. Information und Beratung wandern bereits ins Internet ab. Digitale Vertragsabschlüsse könnten schon bald folgen. Dadurch beschleunigen sich Kauf- und Verkaufsprozesse wesentlich. Potenziell stehen außerdem traditionelle Parteien, die an der Transaktion beteiligt sind, zur Disposition.
Blockchain, jene Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin, hat großes Potenzial, die Kaufprozesse im Finanz- und Immobiliensektor völlig umzukrempeln. Grundsätzliches Prinzip ist: Transaktionen werden über das Internet von authentifizierten Personen verifiziert und anschließend als unveränderlicher Daten-„Block“ in einer Datenbank erfasst. Das Ganze geschieht dezentral über die Rechner der Beteiligten. Die Historie eines Objekts – die Blockchain, eine Aneinanderreihung aller Transaktionseinträge – soll Transparenz und eine dauerhafte Verfügbarkeit der Daten gewährleisten.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Kauf erfolgt auf Knopfdruck, Transaktionskosten werden niedrig gehalten. Essenzielle Daten werden im Block gespeichert und lösen zum Beispiel den Grundbucheintrag ab. Interessierte Käufer rufen die Blockchain auf, um eine lückenlose Dokumentation der Besitzverhältnisse zu erhalten. Vermittlerrollen werden überflüssig.
In einem weiteren Entwicklungsschritt könnte der potenzielle Käufer sogar sog. Smart Contracts definieren: Er bestimmt vorab, welches Objekt zu welchen Konditionen und welcher Preisspanne für einen Kauf in Frage kommt. Sobald ein entsprechendes Objekt zur Verfügung steht, erfolgt automatisch und systemgesteuert der Erwerb. Soweit die Theorie.
Gerade weil die Blockchain so disruptiv auf bisherige Transaktionsprozesse wirkt, sind aber noch viele Fragen offen: Die Technologie ist komplex, fordert hohe Rechenleistungen. Auch Ausfall- und Datensicherheit müssen gewährleistet sein. Die Gesetzeslage ist unklar, beispielsweise bezüglich Daten- und Informationsschutz oder der juristischen Wertung von Bitcoin als Zahlungsmittel.
Des weiteren fehlen Standards für verlässliche Datenquellen oder die Authentifizierung der freigebenden Netzwerke. Die Frage nach einer Regulierungsbehörde ist ebenso ungeklärt wie die Kompatibilität mit Konkurrenzsystemen.
Auch wenn erste Verkäufe von Immobilien, u.a. in den USA und in der Ukraine, bereits über Blockchain erfolgt sind: Die unklaren Rahmenbedingungen stellen eine Chance für die Immobilienbranche dar. Sie geben ihr Zeit, das neue Umfeld auszuloten, die eigene Rolle neu zu definieren und den digital vernetzten Transaktionsprozess mitzugestalten.
Aufbruchstimmung dank digitalem Umbruch
Es reicht nicht, sein Unternehmen um der Digitalisierung willen zu digitalisieren. Aber Big Data und neue Technologien eröffnen dem Immobiliensektor ein großes Potenzial. Die Herausforderung für Real-Estate-Unternehmen liegt darin, größtmöglichen Nutzen aus den neuen digitalen Möglichkeiten zu ziehen, in Bezug auf Strategien, Assets und neue Geschäftsbereiche. Auch Kooperationen mit Start-ups bieten sich an.
“Real Estate verkauft künftig nicht mehr nur Fläche, sondern Leistungen, basierend auf Big Data.”
Alexander Betz, Leiter Digitalisation Programme, PATRIZIA Immobilien AG
„Real Estate verkauft künftig nicht mehr nur Fläche, sondern Leistungen, basierend auf Big Data,“ sieht Alexander Betz eine Weiterentwicklung. „Immobilienunternehmen werden Lösungsanbieter. Dienstleistungen in und um ein Gebäude und den darin arbeitenden oder lebenden Menschen gewinnen an Bedeutung.“
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